2006

author
Daniel Kehlmann
review

Es muss das erste Mal sein, dass ich ein Buch aus der aktuellen SPIEGEL-Bestsellerliste lese, naja musste wohl mal passieren. Mehr noch als der SPIEGEL verdiente dieses Buch das Prädikat "cultainment" - wenn es das denn gäbe.
Dieses Buch zu lesen kostete mich nur zwei Abende und die waren äußerst kurzweilig. Wir tauchen ein, per Kopfsprung, in das Leben zweier Größen der entstehenden deutschen/europäischen Wissenschaft Anfang des 19. Jahrhunderts.
Das mathematische Genie Carl Friedrich Gauss und der rastlose Entdecker Alexander von Humboldt, einer der frühen deutschen Humanisten, imponieren in diesem Buch nicht nur durch ihre Taten. Sie faszinieren den Leser auch durch ihre offensichtliche Gegensätzlichkeit und amüsieren, ganz klar, mit ihrer typisch deutschen Verbissenheit, ja Sturheit und auch Arroganz. Kehlmann arrangiert es, zwei Biographien fantasievoll ausgeschmückt und augenzwinkernd nebeneinander laufen zu lassen. Er erzählt ausserdem mit lockerem Faden eine Geschichte dabei, indem er ein fiktives Treffen der beiden im jeweils hohen Alter vorkommen lässt.
Zurück bleibt ein griffigeres Verständnis der wissenschaftlichen Elite Deutschlands jener (und damit auch heutiger) Zeit. Es bleibt ausserdem die Verantwortung beim Leser, von Kehlmann erfundene Fakten nicht unbedingt für tatsächliche zu halten. Das ist der Preis für so manche gute Geschichte sein, trotzdem gibt es deswegen einen Punkt Abzug.
Ein feines Stilmittel sei noch erwähnt: Dass Kehlmann nie einen wirklichen Dialog, sondern nur indirekte Rede verwendet (z.B. "er sagte, das könne nicht sein"), erhält dem Leser die Freiheit, sich die Dialoge selbst auszuschmücken. Sehr elegant.

# lastedited 10 Apr 2013
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